Im Urgrund des Lebens fließt der Strom der Liebe ... und wenn wir damit in Berührung kommen geschieht Heilung.
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Vergeben

Das Wort Vergebung löst in vielen von uns zwiespältige Gefühle aus. Vergebung - was ist damit wirklich gemeint? Auf jeden Fall ist der Anspruch, vergeben zu sollen oder es zu wollen, eine gewaltige Herausforderung.

Auf den ersten Blick schaut es oft so aus, als wäre man dabei der oder die Schwache, als wäre es ungerecht, als sei man "blöd", wenn man Unrecht vergibt.

Auf den zweiten Blick sieht es ein bisschen anders aus:

Können wir uns darauf einigen, dass "jemandem vergeben" das Gegenteil ist von "jemandem etwas nachtragen"?

Vor vielen Jahren, als es mir selber sehr schwer gefallen ist, mit dem Verhalten einiger nahestehender Menschen zurechtzukommen, hat eine Bekannte zu mir gesagt, sie würde ihrerseits einer Person deren Verfehlungen "bis zum Lebensende nachtragen". Da habe ich mir einmal das Wort "nachtragen" aufgezeichnet, und das sah dann so aus:


und die nächste Frage, die sich für mich gestellt hat, war: Wer ist dann eigentlich der oder die Blöde? Soll ich mir das wirklich antun, dass ich jemandem, der mich so sehr verletzt hat, auch noch ein Leben lang das alles hinterher schleppe? Mir ist das zu mühsam, ich will frei sein und nicht ständig in einer Sache hinter jemand anderem herlaufen müssen. Weil Schuld, die ich nicht weggebe, bindet mich an die Person, der ich etwas nachtrage. Trotzdem: so einfach ist das natürlich nicht, das Schuldpaket loszulassen.

 

Dann habe ich entdeckt, was "vergeben" auf gar keinen Fall meint:

gut heißen, was der/die andere mir angetan hat;

so tun, als wäre es nicht gewesen;

mit dieser Person einen freundlichen Kontakt pflegen.

 

Vergeben heißt nicht, dass ich mit dieser Person jetzt "gut" bin.

Vergeben ist ein einseitiger Akt meinerseits, ein Entschluss, diese Last, die ich dem anderen nachtrage, wegzulegen und liegen zu lassen. Dann gehe ich meiner Wege.

Es kann durchaus sein, dass ich die Folgen, die das Fehlverhalten eines anderen in meinem Leben hat, nicht loswerde: Wenn durch Verschulden einer anderen Person z.B. ein dauerhafter Schaden an Gesundheit entstanden ist oder eine Familie zerbrochen ist. Das wird durch Vergeben nicht wieder ganz. Aber es wird auch nicht ganz, wenn ich nicht vergebe. Der Unterschied liegt nur in meiner persönlichen Freiheit.

Oft haben wir auch den Eindruck, dass durch Vergeben Unrecht geschieht. Diese böse Tat muss doch bestraft werden! und wir haben den Eindruck, dass, wenn wir nicht vergeben, wir die/den anderen bestrafen. Wenn ich genauer hinschaue, bestrafe ich im Grunde mich selbst, weil ich es bin, die schleppt. Die andere Person bemerkt das möglicherweise gar nicht.

Außerdem habe ich festgestellt, dass es meist viel schwieriger ist, sich selbst zu vergeben als jemand anderem. Das heißt, wenn Täter einsichtig sind, tragen sie die eigene Last sowieso am schwersten. und niemand kann einer schuldigen Person diese Last abnehmen, wenn diese Person nicht sich selbst vergibt. Sind Täter nicht einsichtig, dann bemerken sie auch gar nicht, wenn ich etwas hinten nachschleppe.

 

Vergeben heißt nicht "Vergessen".

Emotional stark besetzte Erlebnisse sind in unserem Körper in verschiedenen Zellen gespeichert, schon deswegen, damit wir in einer künftig ähnlich gefährlichen Situation vorgewarnt sind und uns beim nächsten Mal schon im Vorfeld besser schützen können. Vergessen ist also gar nicht sinnvoll.

Was wir aber durch Vergeben erreichen können ist, dass die Erinnerung nicht mehr weh tut. Das erreichen wir dadurch, dass wir in unserer Fantasie uns vorstellen, wie wir selbst diese Situation beeinflussen können, wie wir geschützt sind und nicht Schaden draus nehmen sondern etwas Gutes für uns lernen.

Wenn etwas sehr Schwerwiegendes geschehen ist, dann kann es gut sein, sich professionelle Hilfe zu holen.

 

Vergeben bedeutet auch nicht, dass ich mich mit dem anderen versöhne.

Ist Vergeben ein einseitiger Akt, so braucht es für Versöhnung zwei Personen. Ich kann mich alleine mit mir selbst versöhnen, aber um mich mit einer anderen Person zu versöhnen, muss auch diese auf mich zugehen und um Vergebung bitten (oder falls ich Täter/in war, meine Entschuldigung annehmen). Versöhnen sieht dann so aus:


Das kann passieren, und wenn es passiert, dann ist es wunderschön und es kann Heilung geschehen. Aber erzwingen kann ich es nicht, das kann nur ein auf beiden Seiten freiwilliger Akt sein.

 

Vergeben heißt dasselbe wie "verzeihen", und das meint, ich entlasse den anderen (oder auch mich) aus meiner Schuld, akzeptiere die Umstände so wie sie jetzt sind und weigere mich, noch weiter darüber zu grübeln was wäre, wenn "das" nicht geschehen wäre. Sooft ein bitterer Gedanke auftaucht, schicke ich ihn auf den Müll - mit dem Hinweis, dass ich vergeben habe und mich weigere, es noch weiter mit mir herumzutragen.

Meine Gefühle zu beobachten, ob ich wirklich vergeben habe, bringt nichts:

Vergebung ist eine Entscheidung!

Die Gefühle hinken fast immer hinter der Entscheidung her, manchmal lange. Aber eines Tages werden meine Gefühle zu meiner Entscheidung passen, wenn ich sie durchziehe.

 

Ich behaupte nicht, dass es leicht ist, aber auf jeden Fall gut für uns: Mehrere Studien zum Thema haben ergeben, dass echte Vergebung (das heißt: ich vergebe) unser Immunsystem ankurbelt und unsere Gesundheit in besonders hohem Maße stärkt und fördert.

 

 

 

Buchtipp zum Thema: "Die Kunst zu verzeihen" von Fred Luskin